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Leidenschaft für Lyrik

Lyrische Texte selbst schreiben
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Datum:
10. Okt. 2020
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Leidenschaft für Lyrik

Lyrische Texte selbst schreiben

Zoe Kaltwasser, eine Schülerin aus einem der beiden Deutsch Leistungskurse in der jetzigen Jahrgangsstufe Q2, trug im Unterricht eigene lyrische Texte aus zwei thematischen Umfeldern vor und ihre Mitschülerinnen waren sich einig, dass diese Texte auch über den Unterricht hinaus publiziert werden sollten, weshalb wir sie hier gerne vorstellen.

Zoe greift mit ihren Texten zwei thematische Schwerpunkte auf: einerseits lyrische Texte, die - in Auseinandersetzung mit Gedichten aus unterschiedlichen Epochen - die existentielle Frage nach unserem menschlichen Leben als einer Reise, einem Unterwegs-Sein, aufgreifen, das die Frage nach dem Woher und Wohin provoziert.

Andererseits Texte, die ihre Entstehung der Reflexion von aktuellen Erfahrungen aus dem Umgang mit der Corona-Pandemie verdanken.

Lest/lesen Sie selbst:

Drei selbstgeschriebene Gedichte von Zoe Kaltwasser, die sich mit dem Unterwegssein in drei verschiedene Epochen auseinandersetzten. Im Fokus stand die Reise als Lebensreise.
,,Der Horizont als Ziel“ ist ein an die Epoche des Barock angelehnte Gedicht. Es behandelt die Reise als Lebensreise, wie es im Barock üblich war.
,,Naturträumerei“ ist ein an die Epoche der Romantik angelehntes Gedicht. Die Lebensreise bezieht sich hier eher auf die Bildlichkeit von Tag und Nacht bzw. dem Enden eines Tages, und auf das sehnsuchtsvolle Bestreben nach einer Reise.
,,Kein Leben“ ist ein modernes Gedicht, das den Ablauf eines Lebens widerspiegelt.

 

Der Horizont als Ziel

Mein Boot wurd' oft vom Wind aufs Meer hinausgetrieben,
von Well' und Schaum umspielt, erschüttert und verzehrt
Und voller Glücksgefühle – an Bojen angeteert
Musst' Wellenspiel erliegen, doch standhaft ist geblieben.

 

Voll Zuversicht, Vertrauen und hoffnungsvollem Sehnen
begegnete es manchem Sturm mit pochend Herz,
entschlossnem Blick und manchem Schicksalsschmerz
Der Horizont als Ziel – mit starkem Mast zum Lehnen.

 

Und mancher wird wohl nie den Glanz der Sonne fühlen,
wenn Tag und Nacht berührend jenen Körper kühlen,
wenn dann mein Boot, veraltet, drohet unterzugehn.

 

Denn einst da wird die Zeit in Zuversicht sich wandeln
und Tod wird mit dem Leben um die Seele handeln.
Ein jeder wird nun mal des Hafen Nähe sehn'!  

 

Zoe Kaltwasser

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Naturträumerei

 

Wenn Vögel zwitschern leise
Im Grün und Sonnenlicht
Auf ihre eigne Weise
Erweitert‘s meine Sicht.


      Die Welt, sie liegt im Staunen
      In ihrer Farbenpracht
      Und Sonn' und Windes Rauschen
      Wie eine fremde Macht.

 

Und wenn der Tag wird röter
Neigt sich dem Ende zu
Dann weckt dies früh und später
Die Träumerei im Nu.


      Voll Sehnsucht und Entflammen
      Erklingt ein Lied im Herz
      Dies zeigt dir dein Verlangen
      Doch mit gewissem Schmerz.

 

Und wenn die Nacht begonnen
Und Dunkelheit gesiegt
Verzag nicht! Bleib voll Wonnen
Auch wenn das Licht verfliegt.
      Denn Mond und Sterne leiten
     Auch dich mit ihrem Licht
     Und zeigen dir die Weiten
     Und öffnen deine Sicht.

 

Zoe Kaltwasser

Kein Leben

Werte und Normen, die leiten und erdrücken
Von Kindheit an eingetrichtert und verlangt
Gleichsein wird durch Muttermilch aufgetankt
Gesellschaftliche Anerkennung gegen eigenes Streben
Eigenes Streben? Schon lange aufgegeben! -
Warum nennt man dies Leben?

 

Vernichtender Trott, quälende Leere
Wie in Formen gepresst und verstaut
Wie Ziegel in Mauern eingebaut
Keine Abweichung erlaubt
Kein Wandel! Jeder Individualität beraubt! -
Wie kann dies das Leben sein?

 

Hinterherhecheln nach Geld bis zum Tod
Zufriedenheit? Aus dem Vokabular gestrichen
Stattdessen hat sich Machthunger eingeschlichen
Ein ewiges Streben nach Perfektion
Und doch erwartet einen nichts als Hohn! -
Das kann kein Leben sein!

Zoe Kaltwasser

Entscheidungen in vollkommener Surrealität

Zukunftsängste in Kombination mit Unsicherheit
Große Entscheidungen, die nicht umgangen werden können
Keiner nimmt sie dir ab, keiner kann dir dabei helfen
Und immer wieder die Frage: Bin ich dazu bereit?
Doch man muss sich im Leben von alten Abschnitten trennen
Nur so kommt man voran, nur so schafft man es zu gelten -
 als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft

 

Man wünscht sich ein Stück Ruhe in all dem Nebel
Man wünscht sich einen Faden, der einen leitet
Doch stattdessen erhält man ein globales Chaos
Und plötzlich sucht ein jeder nach dem rettenden Hebel
Der alle endgültig aus dieser Surrealität geleitet
Doch scheinbar niemand findet den Schlüssel für das Schloss -
 welches den Weg in die Normalität verschließt

 

Und während dieser rasanten Fahrt bleiben die Entscheidungen
Verdichten sich, drängen sich auf, werden zur Notwendigkeit
Ungewissheit der äußeren Welt koppelt sich mit der der inneren
Doch wo bleibt noch Raum für die Verarbeitung?
Und immer noch keinerlei Ausweichmöglichkeit
Fragen, die man nur selbst beantworten kann und nicht die anderen -
doch denen geht es genauso. Die sind nicht besser dran

 

Zoe Kaltwasser

Der Virus, der sich Menschheit nennt

Ungewissheit deiner eigenen Sicherheit
Abstand zu deinen Mitmenschen zum Schutz
Alles getarnt unter dem Deckmantel der Nächstenliebe
Doch immer mehr rieselt der sorgsam gepflegte Putz -
Der Virus, der sich Menschheit nennt, liefert nur noch Diebe

 

Ein jeder nimmt sich, was er braucht
Auf den anderen wird nur nach außen hin geachtet
Nach Selbstsucht und ICH zuerst wird jedoch gehandelt
Leere Regale im Supermarkt sind es, wonach die Menschheit trachtet -
Der Virus, der sich Menschheit nennt, ist's, der das Denken wandelt

 

Dank an die, die jenen Dank verdienen
Doch Dank allein kann keine Hilfe erbringen
Das Überleben der Wirtschaft über dem der Menschen?
ANDERE zuerst! Nur so kann es gelingen -
Der Virus, der sich Menschheit nennt, muss sich selbst bekämpfen

 

Zoe Kaltwasser