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Nachruf auf Elisabeth Kaulen

Kaulen
Datum:
25. Nov. 2022

Am 29. Oktober 2022 starb unsere ehemalige Kollegin Elisabeth Kaulen im gesegneten Alter von 93 Jahren. Trotz ihres geradezu biblischen Alters waren alle, die von ihrem Tod hörten, nicht nur traurig, sondern auch überrascht, denn Elisabeth Kaulen war bis zu ihrem Tod rüstig und präsent.

Ich selbst kannte sie, seitdem ich vor über zwanzig Jahren nach Neuss kam, als interessierte und geradezu omnipräsente Besucherin aller wesentlichen Neusser Musikveranstaltungen, sei es im Zeughaus im Quirinusmünster, in der Schulkapelle oder wo auch immer Musik auf hohem Niveau geboten wurde. Sie genoss die Musik und gab fundierte, oft zugespitzte, immer aber vom Respekt vor den Ausführenden getragene Kommentare. Dabei blitzten ihre Augen, aus denen Klugheit, Energie und Lebenserfahrung sprachen.

Oft begegnete man Frau Kaulen in den Neusser Cafés, und es war eine Freude, ihr beim Erzählen zuzuhören. Es war deswegen besonders interessant und bereichernd, weil sie niemals angab, niemals unendliche Monologe über ihre eigenen Verdienste zum Besten gab, sondern zugewandt war und auf dem Laufenden sein wollte. Dabei hätte Frau Kaulen allen Grund gehabt, ausführlich von ihrem gelungenen Leben zu berichten, das so eng mit ihrer Heimatstadt Neuss und der Schule Marienberg verbunden war, in der sie noch vor dem Krieg eine Art Vorschule besuchte, später Abitur machte und gut dreißig Jahre entscheidend das musikalische Profil prägte, von dem heute noch viele Schülerinnen profitieren. Daneben war sie im Musikleben der Stadt engagiert und steckte ihre Kraft in humanitäre Projekte.

Trotz ihrer fast ein Jahrhundert währenden stabilitas loci war Elisabeth Kaulen weder langweilig noch von dumpfem Lokalpatriotismus gezeichnet, der aus Unkenntnis der Welt erwächst. Durch ihre kluge offene Art, die prägenden Erfahrungen ihrer Generation und ihre Bildung war sie weltgewandt und gleichzeitig fest in ihrer Heimatstadt verwurzelt.

Ich selbst habe Frau Kaulen leider nicht mehr als aktive Kollegin erlebt. Um ihr Wirken an unserer Schule zu würdigen, erlaube ich mir daher, aus der Chronik der Musik an der Schule Marienberg zu zitieren, die Elisabeth Kaulens Nachfolger Karl Kühling im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten 2007 verfasste. Hier heißt es:

„Elisabeth Kaulen gilt als Expertin für den Chorgesang und leitet mit besonderem Elan den Schulchor. Mit diesem führt sie die Tradition der Weihnachtskonzerte fort, unternimmt Probenfahrten und präsentiert vielseitige und anspruchsvolle Programme, auch zu den Entlassfeiern für die Abiturientinnen im Zeughaus. […] Im nunmehr verstärkt wissenschaftspropädeutischen Oberstufenunterricht führt sie den ersten Musik-Leistungskurs 1981 zum Abitur. Eine ganze Reihe ihrer Schülerinnen studieren Musik und wagen später den Sprung ins Berufsmusikerleben. […] Unterrichtsinhalte sind inzwischen neben den barocken, klassischen und romantischen Zentralwerken vermehrt Neutöner des 20. Jahrhunderts wie Arnold Schönberg, Charles Yves und Benjamin Britten. Für das 125-jährige Jubiläum der Schule im Jahre 1982 studiert sie Mozarts Missa brevis B-Dur ein und gestaltet das von Joseph Kardinal Höffner zelebrierte Festhochamt in St. Quirin. Unterstützend singen dabei Männerstimmen aus der Elternschaft und dem Freundeskreis mit.

Elisabeth Kaulen [wirkt] entscheidend bei der Ausgestaltung des Musikbereichs mit, der im Erdgeschoss in unmittelbarer Nachbarschaft zur Eingangshalle mit dem Neubau 1978 eingeweiht wird. Sie nutz[t] dies für eine Erweiterung der Instrumenten- und Mediensammlung.

Infolge einer Erkrankung kann Studiendirektorin Kaulen das Singen an der Schule nicht mehr in dem von ihr gewünschten Maße leiten“

und wird im Sommer 1987 pensioniert. Bei ihren Exequien im Quirinusmünster am 11. November 2022 sang noch einmal der Schulchor, dessen Fortbestand sie so glücklich machte, und spielte ihre ehemalige Leistungskursschülerin Stefanie Sassenrath (geb. Flecken) auf der Oboe die Sinfonia aus Bachs Kantate Ich hatte viel Bekümmernis. So schloss sich der Kreis.

Die Schulgemeinde wird Frau Kaulen ein ehrendes und dankbares Andenken bewahren.

Michael Köhne